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Speculum Humanæ Salvationis – Ein Spiegel des christlichen Lebens |
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1. Teil
2. Teil 3. Teil 4. Teil 5. Teil 6. Teil |
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Weiterer Vergleich: Röntgenbild – Karl der Kühne 2a
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Röntgenaufnahme von 1947 (Ausschnitt), von Dr. med. Eugen Hess, Engelberg |
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Kopie des Gemäldes von Rogier van der Weyden, Anfang 16. Jahrhundert (Ausschnitt), Kunsthistorisches Museum in Wien (Inv. GG 4425) |
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Seit Jahrzehnten wird ein Beweisstück um das Sachsler Meditationsbild, das einst Bruder Klaus gehörte, kaum beachtet. 1947 machte ein Arzt in Engelberg vom zentralen Medaillon des Tuches eine Röntgenaufnahme. Und siehe da, in der untersten Schicht erscheint ein völlig anderes Gesicht als heute, ohne Bart, mit weniger asketischen und dafür mehr jugendlichen Zügen, mit gewellten Haaren, einer anderen Krone oder sogar einem Hut mit Edelsteinen; auch das rechte Ohr war sichtbar. Zu diesem Beweis drängen sich Fragen zu zwei Motiven auf:
1. Wieso kommt jemand auf die Idee, in ein Andachtsbild ein bartloses Gesicht
hineinzumalen, das Karl dem Kühnen ähnlich ist?
2. Warum wurde es später übermalt?
Um 1460 wurde Karl der Kühne, damals lediglich Graf von Charolais, von Rogier van der Weyden portraitiert (Bild rechts). 1465 übernahm er die Amtsführung über das Burgunderreich, 1467 erbte er den Herzogtitel (sowie andere Titel). Von da an hatte er für die Maler kaum mehr Zeit, etwas länger Modell zu sitzen. Das Gemälde Rogiers diente darum später oft anderen Künstlern zur Nachbildung. Manche Portraits entstanden nach dem Tod Karls (Januar 1477). Es ist aber auch möglich dass die posthumen Portraits, nach 1500, von der Physiognomie des Enkels, Philipp (Sohn von Kaiser Maximilan I.), beeinflusst wurden. – Tatsache ist jedenfalls, dass in allen Abbildungen das Gesicht des Herzogs stark von dem in anderen abweicht, oft beeinflusst von ästhetischen Vorstellungen der Maler. Allein schon beim Vergleich der Wiener Kopie mit dem Original Rogiers werden Kiefer und Mund um einiges schmaler dargestellt; die Nase erscheint kürzer und unten breiter; der Augenabstand ist grösser. Die Hautfalten über dem Oberkiefer dürften im Original besser getroffen sein.
Portraits werden meistens in einem bestimmten Winkel angefertigt, die ursprüngliche Abbildung im Meditationstuch ist hingegen eine frontale Darstellung, die sogar fast biometrischen Kriterien folgt.
Wichtig für den Vergleich des Röntgenbildes mit Portraits des Burgunder Herzogs sind die einzelnen Gesichtspartien. In den Abbildungen Karls des Kühnen weichen diese jedoch immer etwas von einander ab, ebenso die Schädelform. Die schwarzen Stellen in der Röntgenaufnahme zeigen, wo das Antlitz am stärksten verändert und teilweise die Leinwand beschädigt wurde, besonders in der linken Gesichtshälfte. Besonders auffällig ist durch die Schwärzung der nun sehr schmale Nasenrücken und die Abdeckung der Ohren. Die ursprünglichen Falten über dem Oberkiefer kann man noch gut erahnen, so wir sie im Original Rogiers finden.
Die erste Übermalung des «gekrönten Hauptes» um 1480 war offensichtlich keine gute Arbeit. Womöglich machte es wegen den eher groberen Gesichtszügen einen etwas furchteinflössenden Eindruck. Wichtigste Veränderung: das Haupt hatte jetzt einen Bart – was allein jedes spätere ikonographische Konzept und deren theologisch-spirituelle Bedeutung verwirft; das bartlose Haupt stellte ursprünglich weder Gott noch Jesus dar, weil diese nie ohne Bart dargestellt wurden. 1611 wird das zentrale Rundbild renoviert (nicht restauriert), «verschönert»; unter anderem wird die Krone verändert. Das Haupt ähnelt jetzt mehr dem von Christus. Um 1860 kommt es zu einer weiteren Übermalung durch Paul Melchior von Deschwanden. Besonders die strähnig herab fallenden Haaren dürften seiner eigenwilligen Vorstellung entsprechen; die Gesichtszüge sind weicher geworden. Das Gesicht ist jetzt, nach den mehrmaligen Übermalungen, schmaler, asketischer, älter. Die Ohren sind nicht mehr sichtbar usw. Nach der Restaurierung von 1947 durch Bruder Hermann Keller OSB in Engelberg ist mittels Röntgen- und UV-Aufnahme die unterste Malschicht nicht mehr zugänglich.
Weitere Informationen zum Meditationstuch in: Heinrich Stirnimann, Der Gottesgelehrte Niklaus von Flüe, Dokimion 7, Freiburg 1981, 162ff.
Kunstgeschichtliche Studie zum Thema «Karl der Kühne»: Susan Marti u.a., Karl der Kühne, Historisches Museum Bern 2008 (Katalog zur Austellung, 384 Seiten) – Ausstellung in Bern: 25. April bis 24. August 2008, in Brügge: 27. März bis 21. Juli 2009
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Autor: Werner T. Huber, Dr. theol. © 1981–2024
Studie «Das Sachsler Meditationstuch» als Druckversion (PDF)
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