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Speculum Humanæ Salvationis – Ein Spiegel des christlichen Lebens |
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1. Teil
2. Teil
3. Teil
4. Teil
5. Teil 6. Teil |
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1. Teil – Das «Buch», worin er lernt – Klausens Bibel
Um 1488 wurde von Peter Berger in Augsburg das erste gedruckte Werk über den Eremiten im Ranft herausgegeben (ohne Jahresangabe). Es trug den Titel «Brůder Klaus». Da der Autor unbekannt blieb, bzw. bleiben wollte, jedoch anfangs des Textes von einem Pilger die Rede ist, wird das kleine Druckwerk auch «Pilgertraktat» genannt. – Bei dem Pilger handelt es sich vermutlich um Heinrich Gundelfingen (Professor an der Universität Freiburg im Breisgau), der im Winter 1480/81 BruderKlaus im Ranft besuchte. – Ist jedoch das Gespräch zwischen dem Besucher und dem Einsiedler, wie bereits Robert Durrer und Arthur Mojonnier festhielten, eine literarische Fiktion? Ist die Erklärung vom Ausgehen der drei Personen aus der ungeteilten Gottheit mit der zeitgenössischen Trinitätslehre (Konzil von Florenz 1442) überhaupt vereinbar oder sogar häretisch? Und gibt es dafür Beweise? Diese sind hier im 3. Teil zu finden.
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Missverständnisse von historischer Bedeutung
Bruder Klaus und der Pilger sprechen über den christlichen Glauben, wobei mit «glauben» nicht das «Für-wahr-halten» gemeint ist. Beide sind sich einig, zum echten Glauben gehört das eifrige Beten und vertiefte Meditieren der Glaubensereignisse, wie sie die Bibel vermittelt, der christliche Glaube muss ein gelebter Glaube sein, und dazu ist es nötig, auch die Nächstenliebe als Werke der Barmherzigkeit zu üben.
Im Verlauf des Gesprächs holt Bruder Klaus etwas hervor und zeigt es dem Fremden, vorausgehend sagt er noch: «Wenn es dich nicht verdriesst, so will ich dich auch mein Buch sehen lassen, worin ich lerne ...» Das Wort «bůch» (Buch) wird hier in übertragener Weise gebraucht (Metapher), denn Bruder Klaus konnte weder lesen noch schreiben. Dem Fremden, der sich ihm als Gelehrter zeigte und viele Bücher gelesen hatte, sagte der Einsiedler mit etwas Ironie: Das sei halt nun sein Buch … Es könnte jedoch auch sein, dass der anonyme Pilger das Wort «tůch» (Tuch – das Bild war damals nicht als Tafel gefasst, und tatsächlich wurde es auch später noch lange «tuoch» genannt – vgl. Quelle 247) falsch verstanden oder sich falsch erinnert hatte, nämlich als «bůch» (originalsprachlicher Text). Der Pilger schildert den anschliessenden Vorgang wörtlich so: «Und er trůg mir her verczaichnet ein figur in der geleichnus als ein rad mit sechs spaichen in dieser gestalt als hernach volget» (Abbildung links aus der Augsburger Variante um 1488 alternierend mit der Skizze aus der Nürnberger Ausgabe 1488). Dieser Satz ist oft missverstanden worden. Der Pilger behauptet jedoch in keiner Weise, dass Bruder Klaus ihm genau diese Skizze gezeigt habe, sondern er schreibt, dass das, was ihm der Eremit zeigte – etwas «Gezeichnetes» oder «Gemaltes» –, der Struktur nach eben dieser Skizze ähnlich sei. Einige Zeit – vielleicht mehrere Jahre – später, will sich der Pilger an das gezeigte «Bild» des Eremiten erinnern, es sich in seinen Gedanken ausmalen. Er will es aus der Erinnerung rekonstruieren und interpretieren. Hier ist die Quelle für ein weiteres Missverständnis. Der Pilger behauptet keineswegs, er habe das farbige Bild selber gemalt oder habe die Entstehung veranlasst. Heute ist dieses Bild bekannt als das Sachsler Meditationsbild (keine Tafel sondern ein bemaltes Tuch, als «Tafel» gefasst wurde es erst 1611, Protokoll des Nidwaldner Wochenrates vom 28. November, Quelle 247), es befindet (bzw. befand) sich in der Pfarrkirche von Sachseln, vorne links zwischen den Seitenaltären. Darum ist mit Fug und Recht anzunehmen, dass Bruder Klaus beim Besuch des Pilgers (vermutlich im Winter 1480/81) das farbige, auf Tuch gemalte Meditationsbild bereits besass und keineswegs die Radskizze, ebenso nicht den ursprünglich einfarbigen* Holzschnitt der im Augsburger Druck (um 1488, Abbildung unten rechts) enthalten ist. Dieser ist eine Nachahmung des gemalten Bildes. Dass dieser nicht seitenverkehrt ist, beweist, dass für seine Anfertigung eine Zeichnung auf einem losen Blatt vorlag, die der Holzschneider für seine Arbeit umgekehrt gegen das Licht hielt. In der gleichzeitig erschienenen Nürnberger Variante (1488) ist eine andere Radskzizze zu finden (hier im 3. Teil). Welches müsste nun die echte sein? – Zudem besteht theologiegeschichtlich kein Zweifel daran, dass die Worte vom Ausgehen der drei Personen aus der ungeteilten Gottheit nicht von Bruder Klaus in dieser Weise geäussert wurden, sondern ihm vom Pilger gemäss dessen Meinung in den Mund gelegt wurden. |
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• grösseres Bild
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Bestandesaufnahme
Der Holzschnitt (rechts) im sogenannten «Pilgertraktat» entstand frühestens 1486 – in diesem Jahr nahm Peter Berger seine Tätigkeit als Drucker in Augsburg auf –, spätestens 1489. Mit der Jahreszahl 1488 datiert erschien eine weitere Ausgabe mit anderen Holzschnitten bei Markus Ayrer in Nürnberg. Es ist keineswegs sicher, ob die undatierte Augsburger Ausgabe bereits 1487 gedruckt vorlag, 1488 wäre eher wahrscheinlich; es ist keineswegs bewiesen, dass sie älter ist als die erste Nürnberger Ausgabe. Es ist nicht zulässig, einfach etwas so zu fixieren, wie man es gerne haben möchte. Das gilt auch und ganz besonders bezüglich der «Radskizze» – nur weil sie etwas auffälliger erscheint und manchen Betrachtern mehr gefällt.
Das Sachsler Meditationsbild (die einzelnen Medaillons sind im 2. Teil vergrössert abgebildet) entstand nach kunsthistorischen Untersuchungen sehr wahrscheinlich zwischen 1460 und 1480 (das meint jedenfalls auch Rupert Amschwand in einem Brief vom 4. Dezember 1980). Gemäss Heinrich Stirnimann** stamme das Bild möglicherweise aus der Region Colmar–Basel (Sundgau/Elsass, bis 1476 ein von den Burgundern unter dem brutalen Vogt Peter von Hagenbach besetztes Pfand, früher habsburgisch), womit er vermutlich recht hat, denn allein ein gewisser Zusammenhang der vier Evangelistensymbole mit denen in der Basler St. Leonhardskirche (Lettner, Iselinjoch, 1455–1460 – mehr darüber im 6. Teil) ist unverkennbar. Gemalt wurde das Bild mit dünner Temperafarbe auf rollbaren Stoff in den Massen: 77 cm breit und 86.5 cm hoch; die Schrift unterhalb wurde erst später, bei der Einfassung in einen Holzrahmen, hinzugefügt (Quelle 247). Durch das mehrmalige Zusammenrollen gehen die Farbpartikel zwischen den Fäden allmählich verloren; die Farbe haftet lediglich an den Fäden allein.
Die Mitte bildet ein Medaillon mit einem gekrönten Haupt. Was stellt es dar? Von diesem Rundbild gehen sechs strahlenähnliche Gebilde aus, so dass je drei davon die Spitze einwärts gerichtet haben und ihre äusseren Enden miteinander verbunden ein nahezu gleichseitiges Dreieck bilden, ebenso sind drei Strahlen mit der Spitze nach aussen vorhanden. Das Medaillon ist in der Grundfarbe rot und von einem Goldkreis umgeben; zu diesem konzentrisch angeordnet umschliesst ein etwas breiterer roter Kreis die aussen breit endenden Strahlen, dieser äussere Kreis wird tangiert von sechs weiteren, regelmässig verteilten Medaillons, so dass die Strahlen auf je eines hinzeigen. Diese Rundbilder enthalten folgende Darstellungen:
1. Verkündigung des Herrn an Maria durch den Erzengel Gabriel, sowie zwei Krücken als symbolische Andeutung für das barmherzige Werk «Kranke besuchen».
2. Geburt Jesu und ein Wanderstab mit Beutel für «Fremde beherbergen»
3. Gott-Vater und die Schöpfung, sowie Brotlaib, Weinkanne und Fisch (möglicherweise) für «Hungrige und Dürstende speisen»
4. Verrat des Judas und Gefangennahme Christi verbunden mit einer symbolisch daliegenden Kette für «Sich um die Gefangenen kümmern»
5. Kreuzigung Christi und ein Kleid für «Nackte bekleiden».
6. Konsekration des eucharistischen Brotes und ein Sarg für «Tote begraben».
Diese Medaillons sind ebenfalls goldfarben eingefasst. Daran, sowie an den oberen und unteren Bildrand anschliessend sind die vier mit Spruchbändern versehenen Evangelistenembleme angeordnet, diese sind rot und viereckig eingefasst, ebenso auch das Marienbild im Medaillon der Eucharistiedarstellung. Das Johannessymbol, der Adler, befindet sich dabei links oben, so dass diesem Evangelisten anscheinend ein Vorrang zugestanden wird, obwohl in kanonischer Reihenfolge zuerst Mattäus kommen müsste. Von grosser Bedeutung für die Herkunftsbestimmung wären sodann das Künstlermonogramm (Kreuz und Halbmond) in der Verkündigungsszene, sowie das Stifterwappen in der Eucharistiedarstellung, das eine Zinne, ein Burg- oder Stadttor beinhaltet und dazu ein Schildhaupt oder Namensschildchen, es könnte sich um ein Familien- oder Stadtwappen handeln.
Zweifellos ist der Augsburger Holzschnitt jünger und darum eine abstrakte Nachahmung des farbigen Bildes. Deshalb wäre es falsch, von Elementen in diesem Holzschnitt (14.3 x 9.8 cm) aus die Bedeutung von Details im farbigen Bild zu ergründen.
* Nach dem Druck war der Holzschnitt schwarz/weiss, die Holzschnitte in der Augsburger Ausgabe in der Münchener Staatsbibliothek wurden nachträglich mit Wasserfarben koloriert, die hier wiedergegebene Nachahmung des Meditationsbildes wurde im 20. Jh. retuschiert von Alois Spichtig, Sachseln.
** Der Gottesgelehrte Niklaus von Flüe, Freiburg 1981 (dokimion 7), 167 u. 190 – H. Stirnimann bevozugt die Annahme einer Entstehungszeit 1475–1480 (a.a.O. 190), obwohl Experten eine frühere Zeit ansetzen. Nur wegen des Faltenwurfs der Kleider der drei anbetenden Gestalten im Schöpfungsmedaillon? Robert Durrer nannte jedoch als oberen Grenzwert 1470 (Kunstgeschichte Unterwaldens, 489, R. Amschwand, 231), sowie: «Am liebsten bald nach 1450» (Quellenwerk, 386). – 1465–1475 dürfte eine gut mögliche Zeitspanne sein; Entstehungsort ist höchstwahrscheinlich Basel. Eine materialtechnische Untersuchung im Schweizerischen Landesmuseum besagt, dass eine Datierung auf Jahrzehnte genau nicht möglich ist (R. Amschwand, 232). |
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Der Beitrag «Das Sachsler Meditationsbild» hat sechs Teile.
• Im 2. Teil werden die einzelnen Rundbilder des Sachsler Meditationsbildes erklärt. • Im 3. Teil werden die Beschreibungen des Rades aus dem um 1488 gedruckten Pilgertraktat (Augsburger Ausgabe) und aus der biographische Handschrift von Heinrich Gundelfingen, datiert mit 13. August 1488, einander synoptisch gegenübergestellt, so dass durch die auffälligen Gemeinsamkeiten ein Hinweis auf den Verfasser des anonymen Pilgertraktats hervortritt. Ebenfalls werden die drei Radskizzen miteinander verglichen, unter Berücksichtung der Anfertigungstechnik.
• Im 4. Teil ist die Gegenüberstellung in der jeweiligen Originalsprache: deutsch – lateinisch
• Im 5. Teil wird nach der Inspiration gefragt: Alltagsgegenstand, Symbol und Emblem
• Im 6. Teil werden die Evangelistensymbole analysiert und die Entstehung erörtert
Autor: Werner T. Huber, Dr. theol. © 1981–2024
Studie «Das Sachsler Meditationstuch» als Druckversion (PDF)
" als Mind Mapping der Devotio Moderna (PDF)
Das «Rad» und sein verborgener Sinn
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