Holzschnitt 1510
    
Nikolaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Die bischöfliche Untersuchung – Inquisition
  
Quelle Nr. 004

  

  
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Zeit: Anfang April 1469 ? / 27. April 1469
  
Herkunft: a) Undatiertes Mandat, Erzb. Archiv Freiburg i. Br., Konstanzer Konzeptbuch E, 247 – b) Eintrag von Johann Joachim Eichhorn im Sachsler Jahrzeitenbuch, Fol. 24; sowie ders. auf der ursprünglich leeren Seite 27 im Bologneser Original der Historia Nicoalai von Heinrich Gundelfingen, 2 Facsimiles in Sachseln: Museum Bruder Klaus und Pfarrarchiv; – c) Zweite Abschrift der Originalurkunde (Wortlaut im neuen Jahrzeitenbuch, Abschrift aus dem alten Jahrzeitbuch) von Eichhorn, Sammelband in Neapel, Bibliotheca Nazionale, Signatur: XIII AA. 35, fol. 5r–v (alte Pag. 3–4)
  
Kommentar: Der Bischof von Konstanz (Diözesanbischof) Herman von Breitenlandenberg erteilt dem Generalvikar und Weihbischof Thomas Weldner (Wäldner) den Auftrag das Leben von Bruder Klaus näher zu unterzusuchen, ob nicht Unlauterkeit im Spiel sei. Hauptgegenstand der bischöflichen Untersuchung – Inquisition – war die Nahrungsabstinenz des Eremiten. Bei dieser Gelegenheit – es war zudem eine Pastoralreise des Generalvikars in die Innerschweiz –, fand zugleich die Weihe der Oberen Ranftkapelle statt. Es wäre natürlich nicht unwichtig zu erfahren, was dieser Anordnung des Bischofs zur Inquisition vorausging, ob es eine Anzeige gab und von wem, aus welchen Kreisen.
  
Über die bischöfliche Prüfung berichten später weitere Quellen:
• Hans von Waldheim (Quelle 009)
• Albrecht von Bonstetten (Quelle 015)
• Paul Walter (Quelle 021)
• Hartmann Schedel (Quelle 060)
• Ein heiliges Leben in Kürze erzählt (Quelle 069)
• Der ehemalige Doge von Venedig Fregoso (Quelle 070)
• Heinrich Wölflin (Quelle 072)
• Jakob Unrest (Quelle 077)
• Carolus Bovillus (Charles de Bouelles, Quelle 201)
• Johannes Trithemius (Quelle 204)
• Die Chronik von Hermann Miles (Quelle 218)
  
Weitere Quellen betreffend Abstinenz:
• Der geizige Abt aus Würzburg (Quelle 037)
• Johannes Trithemius (Quelle 038)
Die Koelhoffsche Chronik (Quelle 066)
  
Über die Weihe der Oberen Ranftkapelle machte Pfarrer Bartholomäus Motz (gest. 1557) im Jahrzeitenbuch des 16. Jahrhunderts einen Eintrag, der jedoch nicht mehr auffindbar ist; es existieren stattdessen mehrere Abschriften Eichhorns. Ferner finden wir in den Schriften von Albrecht von Bonstetten (Quelle 015) und Heinrich Wölflin (Quelle 072) einen zeitnahen Zusammenhang (am gleichen Tag) zwischen der Kappellen-Einweihung und der Inquisition.– Ein Jahr nach der Weihe, am 18. April 1470, wurde die Kapelle von 16 Kardinälen und dem Bischof von Konstanz mit Ablässen [Ablass, Ablassbrief] ausgestattet (Quelle 075).
  
Bemerkenswert ist die Anwesenheit des Berner Schultheiss (und Freiherrn von Spiez) Adrian von Bubenberg – Adrianus de Bůbenberg, Miles [et] Schultetus Bernensium –, den offensichtlich ein freundschaftliches Verhältnis zu Bruder Klaus herführte. An Ostern (2. April, Julianischer Kalender) 1469 endete allerdings seine Amtszeit als Schultheiss, darum war er wohl als Privatmann im Ranft. Er war übrigens verschwägert mit dem Bruder-Klaus-Biografen Albrecht von Bonstetten – dessen Bruder, Andreas Roll von Bonstetten, Freiherr von Uster, Bürger von Zürich und Bern, war verheiratet mit Johanna von Bubenberg.
  
Vermutlich als Page am burgundischen Hof lernte er in seiner Jugend auch den fast gleichaltrigen Grafen Karl von Charolais kennen, den späteren Herzog und Markgrafen von Burgund, Karl den Kühnen. Adrian von B. war später ein Gegner der Aggressionspolitik der Berner gegenüber Burgund und Savoyen. Er glaubte lange Zeit an eine diplomatische Lösung des westeuropäischen Konflikts. Wegen dieser Haltung wurde er im Juli 1475 aus dem Rat ausgestossen. Im weiteren Verlauf des Krieges verhandelte er auf eigene Verantwortung mit Jolanthe (Yolande), Mutter des unmündigen Herzogs Philibert und darum Regentin Savoyens, und erhielt von ihr im April 1476 ein Truppenkontigent, mit dem er die Stadt Murten besetzte (bis 25. Juli 1476 unter der Schutzmacht Savoyens). Seine Strategie war, das burgundische Heer vor die Stadt zu locken, wohin dann auch die Aufgebote der Eidgenossen und der Verbündeten (Vorderösterreich, Lothringen und die Niedere Vereinigung) sich zur Schlacht treffen sollten. Den Eidgenossen blieb nichts anderes übrig, als auf diesen Plan Adrians von Bubenberg einzugehen. Das von Osten heranrückende eidgenössische Entsatzheer siegte in der folgenden Schlacht. Adrian von Bubenberg stand der friedliebenden Denkweise des Klaus von Flüe mehr als nur nahe, es verband sie eine Freundschaft. Er beugte sich aber aus Loyalität der vollendeten Tatsache, dass seine Heimatstadt in eine bedrohliche Lage gekommen war, zudem war es ihm duchaus bewusst, dass das unfriedliche, aggressive Verhalten des Burgunder Herzogs sich immer mehr Feinde verschafft hatte, was nicht mehr aufzuhalten war.
  
Der Generalvikar von Konstanz führte im Auftrag seines Diözesanbischofs eine Inquisition durch – man kann es nicht anders nennen. Solche Gerichtsverfahren waren sehr gefürchtet. Adrian von Bubenberg gehörte nicht zum Bistum Konstanz sondern Lausanne. Er eilte herbei als schützender Beistand, weil er seinen Freund, den Einsiedler Bruder Klaus, in Gefahr sah. Sehr eindrücklich schildert den Vorgang der Inquisition eine Münchener Handschrift um 1500, darin wie beim zweiten Bissen Brot Blut aus dem Mund von Bruder Klaus kam. Als der Generalvikar dem Eremiten den dritten Bissen verabreichen wollte, wurde ihm massiv gedroht: «Gnädiger Herr, sollte es geschehen, dass Ihr den Bruder Niklaus mit dieser Speisung um sein Leben bringt, dann wird Euer Gnaden zu einer Verkürzung Eures Lebens kommen.» (Quelle 069). Darauf brach der Weihbischof aus Konstanz die Prüfung ab. Die bedrohlichen Worte hatte nur ein Ziel: Die für den Einsiedler bedrohliche Situation sollte deeskaliert werden. Wer diese Worte ausgesprochen hatte, sah sich in allen Fällen und zu jeder Zeit berufen, in angespannten Situationen in Richtung Deeskalation mitwirkend zu helfen. Adrian von Bubenberg war ein solcher Mensch.
  
Dass Adrian von Bubenberg am 27. April 1469 lediglich als Zeuge für die Einweihung der Ranftkapelle angereist sein solle, wie es das vorhandene Dokument nahelegt, mutet doch recht merkwürdig an. Inwiefern ist diese Information der dritten Geberation – eine Abschrift der Abschrift – ein Fragment? Was enthielt der ursprüngliche Eintrag im Alten Jahrzeitenbuch Sachselns wirklich? Wollten oder mussten die Abschreiber etwas verbergen?
  
Dass es sich bei der Befragung durch den Konstanzer Generalvikar um eine Inquisition, am Rande eines Exorzismus, handelte, geht auch aus den Worten hervor, welche Bruder Klaus dem Junker Hans von Waldheim aus Halle gegenüber äusserte (Quelle 009). Der sächsische Junker notierte in seinem Reisetagebuch diese Worte aus dem Munde des Einsiedlers: «Deswegen hat mein Herr von Konstanz, der Bischof [Weihbischof Weldner im Auftrag des Diözesanbischofs], drei Bissen Brot und etwas St. Johannes-Wein gesegnet in der Meinung, wenn ich die drei gesegneten Brotbissen esse und den heiligen, gesegneten Wein trinke, dann würde es recht um mich stehen, wenn ich aber das Brot nicht essen und den Trank nicht trinken würde, dann wäre es ein echtes Zeichen dafür, dass mein Leben dem bösen Geist verfallen sei.» Es war zudem nicht irgendein Wein, mit dem der Eremit geprüft werden sollte. Es war Johanneswein, wie er alljährlich am 27. Dezember, am Festtag des Apostels und Evangelisten Johannes, gesegnet wird. Er galt früher als Trunk mit Heil- und Schutzfunktion gegen Zauberei und Vergiftung (körperlich und seelisch). Gemäss einer alten Legende um den Apostel sollte sich nun analog bei einer «Vergiftung» das Übel manifestieren (bei Johannes sei es als Natter sichtbar geworden sein). Der Weihbischof legte seinem Prozedere diese Idee zu Grunde. Peinlich daran war nun, dass Bruder Klaus seit mehr als 18 Monaten keine festen Speisen und keine alkoholhaltigen Getränke mehr zu sich genommen hatte und dergleichen nicht mehr schlucken konnte. Das war zumindest erwiesen, nicht jedoch, dass er möglicherweise in einer Form, die bei erwachsenen Laien draussen in der Welt damals nicht als Nahrung gegolten hatte, Energie (Carbonhydrate) zu sich genommen hatte, etwa mit Kuhmilch, vielleicht sogar gesüsst mit Birnell (eingedickter Birnensaft). Oder vielleicht nur Molke, das Abfallprodukt der Käseherstellung, das nicht als Nahrung galt und trotzdem noch viel Energie in Form von Lactose (Milchzucker) enthält. Doch darüber wird in keiner Quelle etwas erwähnt. Das Wissen um Zusammenhänge zwischen Nahrung und Energie war damals auch nicht so ausgeprägt.
  
Was hätte geschehen können, wenn der Berner Magistrat bei der Inquisition nicht anwesend gewesen wäre? Fühlte sich der Weihbischof bedroht (vgl. Quelle 069)? Der Ritter aus Bern kam sicher bewaffnet und wahrscheinlich in Begleitung wenigstens eines Knechtes. Wurde über den Hergang etwas nach Rom gemeldet, etwa, dass eine Inquisition nicht rechtmässig durchgeführt werden konnte und der Weihbischof bedroht worden war? Das könnte sein, denn mindestens die 16 Kardinäle, welche den Ablassbrief ein Jahr nach der Weihe der Ranftkapelle unterzeichneten (Quelle 075), mussten von den Ereignissen jenes 27. April 1469 auch detaillierte Kentnisse gehabt haben. Einer der Unterzeichnenden war der Kurienkardinal Francesco della Rovere, der kurz darauf, am 9. August 1471 Papst wurde, als Sixtus IV., und wenige Wochen später zwei Neffen zu Kardinälen ernannte: Giuliano della Rovere und Pietro Riario. Giuliano della Rovere war 1472–76 zudem Bischof von Lausanne, ferner auch päpstlicher Legat in Frankreich und Grosspoenitentiar (Quelle 059). Adrian von Bubenberg musste dem Papstneffen auf den diplomatischen Reisen am französischen hof wohl mehrmals begegnet sein, allerdings waren ihre Ansichten über den Frieden in Europa doch recht verschieden. Adrian von Bubenberg starb im August 1479 und wurde im Berner Münster bestattet.
  
Dann kam der apostolische Protonotar (bzw. Abbreviator) Nicolao Garriliati aus Rom nach Bern mit einem Pergament mit Bleisiegel, das ihm eine bestimmte Pfründe zusicherte, für dessen Vergabe der Rat der Stadt Bern zuständig war. Das Ansinnen wurde jedoch abgelehnt. Ein Streit eskalierte, in dem Garriliati erklärte, dass eigentlich Adrian von Bubenberg keine ehrenvolles Begräbnis zugestanden hätte, was allerdings die Stadt Bern nicht akzeptieren wollte, der Leichnam wurde nicht mehr exhumiert und den Hunden und wilden Tieren zum Frass vorgeworfen. « … Eum exhumari et ceu Canem inter feras projiici …», wie es in einem Brief der Stadt Bern an Papst Sixtus IV. formuliert ist (Missiven-Buch, lit. B. fol. 430). Die angeblich verhängte Strafe kann nur mit einer unbekannten Exkommunikation zusammenhängen. Der tatsächliche Grund für diese Verurteilung liegt anscheinden im Dunkeln. Es gab jedenfalls keine vom Papst ausgestellte Bannbulle. Wann kam es zur «latenten» Exkommunikation? Der Zeitpunkt wird an sich (per se, eo ipso) durch die Tat selbst definiert: Exkommunikation als Tatstrafe – excommunicatio latæ sententiæ – die Strafe ist eine automatische Folge der Tat, ohne ausgesprochenes Urteil). In diesem Fall müsste sie sich logischerweise vor dem Tod Bubenbergs im August 1479 ereignet haben. Also bereits 1469 ? – Die Offenlegung erfolgte nun zeitgleich mit dem abblehnenden Bescheid an Nicolao Garriliati betreffend Pfründe des Priorates in Rüeggisberg durch den Rat der Stadt Bern; der Streit eskalierte und der Protonotar setzte sein Wissen um diese Strafe als Druckmittel ein. Dieser Garriliati behauptete auch, er sei von den mit Bubenberg verschwägerten Baronen von La Sarraz beraubt worden. Es erscheint jedoch eher unwahrscheinlich, dass der Ritter Adrian von Bubenberg wegen irgendwelchen «Lappalien» und nicht zutreffenden Anlastungen derart exzessiv verurteilt worden war. Eine entsprechend strafwürdige Tat müsste er zudem selbst verübt haben und nicht irgendwelche Verwandte oder Verschwägerte. – Strafwürdige Taten waren auch im 15. Jahrhundert in den damals geltenden Paragraphen des Kanonischen Rechts beschrieben. Geldangelegenheiten waren ausdrücklich ausgeschlossen. – Ein willkürliches Spiel mit der Strafe der Exkommunikation war nicht möglich, eine Exkommunikation wäre unwirksam gewesen und mehr noch, es hätte sogar die Exkommunikation dessen erwirkt, der hier einen Missbrauch getrieben hätte. – Gewalt gegen Bischöfe und Kleriker konnte in jener Zeit allerdings automatisch (eo ipso, eben: latæ sententiæ) eine Exkommunikation nach sich ziehen. Der wahre Grund hinsichtlich der Verurteilung Bubenbergs kam jedenfalls später nie offiziell zur Sprache – obwohl der höhere römische Beamte Garriliati ihn wohl kennen musste –, besonders dann nicht, wenn er im Zusammenhang mit Bruder Klaus gestanden hätte, der 1479 schon längst in ganz Europa einen untadeligen Ruf besass. Warum sollte man denn durch die Nennung des eher unrühmlichen Vorgangs, der Inquisition, in den Einzelheiten überhaupt wieder Aufruhr und Entrüstung auslösen? Das Prozedere vom 27. April 1469 hätte weitherum als Skandal gewertet werden können.
  
Es handelte sich hier nicht um einen Kirchenbann im engeren Sinn, denn dieser hätte mit einer durch den Papst signierten Bulle fixiert und dem Täter zugesandt werden müssen; eine Kopie wäre im Archiv aufbewahrt worden. Exkommunikationen hingegen mussten nicht zwingend schriftlich festgehalten werden und ebenso nicht diesbezügliche Absolutionen. Das bedeutet in unserem Fall zudem, dass Garriliati überhaupt kein Recht zum Fällen eines Urteils gehabt hätte, sondern nur feststellen konnte, was nach seinem Wissen bereits Tatsache war. Ein krasses Missverständnis hätte aber deswegen aufkommen können, weil eben dieser Garriliati von Berufes wegen Schreiber verschiedener päpstlicher Dekrete war; doch dann hätte immer noch Unterschrift und Siegel des Papstes vorhanden sein müssen. Jedenfalls behinhaltet das von Garriliati vorgelegte Pergamentstück lediglich Angaben zur Pfründe Rüeggisberg, Adrian von Bubenberg kommt darin überhaupt nicht vor.
  
Eine einfache Exkommunikation, um die es hier geht, konnte vom für Bubenberg zuständigen Diözesanbischof von Lausanne aufgehoben (rekonziliiert) werden – Sitz bis 1472 vakant, 1472–76 war dies Kardinal Giuliano della Rovere (Neffe von Sixtus IV.), nachher Benoît de Montferrand – oder in Todesnot sogar durch Beichte bei einem Priester. Trotzdem wäre es wünschenswert, dass die römische Kirche heute in dieser causa für eine Klärung sorgt.

  
Es ist anzunehmen, dass die Garriliati-Affäre grössere Kreise gezogen hatte und die Politik der acht eidgenössischen Orte nachhaltig beeinflussen konnte, bis hin zum Stanser Verkommnis (• Link). Der apostolische Protonotar wusste sehr genau, was die Person Adrian von Bubenberg für die Stadt Bern und die ganze Eidgenossenschaft bedeutete. Das Spiel mit der Desinformation und das leichtfertige Umgehen mit dem Unwissen unkundiger Laien, der Missbrauch des Kirchenrechts zum Erreichen seiner egoistischen Ziele, war zweifellos ein Skandal, wofür allein schon die römische Kirche der Nachwelt eine Erklärung geben sollte (vgl. auch Valerius Anshelm, Berner Chronik, Quelle 229).
  
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass 1421, also 60 Jahre zuvor, ein Verwandter (Grossonkel) starb, Hartmann von Bubenberg, der in Bologna Kirchenrecht studiert hatte und zeitweise in der bischöflichen Kurie in Konstanz als Offizial (Richter, bzw. Gerichtsvikar) und Domherr amtete.
  
Wenn Regierungen der Städte für diverse Aufgaben Boten sandten oder Ratsherren aus Kreisen der Zünfte hierfür selbst auf die Reise gingen, wurde jeweils aus der Stadtkasse ein Entgelt entrichtet, welches immer peinlich genau notiert wurde. Diese Notizen sind zweifellos für die Nachwelt historisch hilfreich. Ganz anders verhält es sich aber, wenn Ratsherren aus Patrizierkreisen verschiedene Missionen selbst erfüllten – meist in Begleitung mindestens eines Knechtes –, dann fehlen hierfür Einträge in den Ausgabebüchern (Umgeldbücher). Bei Adrian von Bubenberg finden wir diesen uneigennützigen Gemeinsinn besonders ausgeprägt, weswegen uns einige historische Hinweise bezüglich seiner vielen diplomatischen Reisen fehlen. Diese lobenswerte Uneigennützigkeit und Grosszügigkeit hatte allerdings eine negative Kehrseite: Dem Berner Ritter und Ratsherrn ging immer wieder das Geld aus; als er starb, war er hochverschuldet. Wegen der Insolvenz des Erzherzogs Sigmund von Österreich (
Quelle 018) gab es damals eine weitreichende Finanzkrise im Deutschen Reich. Adrian von Bubenberg hatte einen Schwager, Andreas Roll von Bonstetten (vgl. auch Quelle 015), verheiratet mit Johanna von Bubenberg. Diesem Schwager gegenüber fühlte er sich verpflichtet zu helfen und lieh ihm eine grössere Summe. Diesem Andreas von Bonstetten schuldete der Erzherzog Sigmund seinerseits später, nach dem Burgunderkrieg, 32’000 Gulden für die Aufwendungen für Truppen und Pferde. Von Bonstetten war Lehensmann Österreichs (der österreichischen Vorlande) und handelte auf Befehl seines Dienstherrn. Bubenberg lieh dem Schwager das Geld bereits vor dem Auszug der österreichischen «Brigade» (4000 Mann und 100 Pferde) in Richtung Besançon, um die Freigrafschaft Burgund zu besetzen, oder aber er half mit einer Bürgschaft das Geld aufzutreiben; später folgten weitere Aufgaben in den Burgunderkriegen. Diese hohen Auslagen für die Kriegsleistungen Bonstettens, gleichsam in der Funktion eines Brigadegenerals, wurden von den Habsburgern aber nie erstattet.
  
In der Abschrift der Weiheurkunde vom 27. April 1469 finden wir einen der wenigen Hinweise auf das Wirken Bubenbergs ausserhalb der Stadt Bern. Es dürfte sicher nicht das einzige Mal gewesen sein, dass er im Ranft bei Bruder Klaus weilte, um sich mit dem Einsiedler die jeweils aktuelle Lage in der Eidgenossenschaft und in der Welt auszutauschen.
  
Adrian von Bubenberg durfte den Titel «Ritter» (Miles) führen. Wie kam es dazu? Ein Ritter ist ein Vasall und auf Lebenszeit an seinen Dienstherrn (Lehensherrn) gebunden, ihm treu ergeben. Die Vergabe eines solchen Titels ist auf zwei Wegen möglich: 1. durch Aufnahme in einen Ritterorden oder 2. den Ritterschlag eines Königs (auch stellvertretend durch einen anderen Lehensmann des Königs (Kaiser Friedrich III. war zugleich König von Rom). Adrian von Bubenberg wurde 1466 in Jerusalem zum Ritter vom Heiligen Grab geschlagen. In diesem Fall ist der Lehnsherr der König der Könige, Christus. Einen Ritterorden gab es diesbezüglich noch nicht. Auf Anordnung des Papstes übergab der Guardian des Franziskanerklosters am Heiligen Grab den Titel mit Brief und Siegel jeweils an jene Pilger, welche die beschwerliche, gefahrvolle Reise überstanden hatten. Bereits 1465 wollte Adrian von Bubenberg am aufgerufenen, dann aber wieder abgesagten Kreuzzug teilnehmen (Er hätte unter der Führung von Herzog Philipp von Burgund stattfinden sollen). Das Jahr 1466 fiel in das Pontifikat von Paul II. (1465–71). Dessen Nachfolger, Sixtus IV., und seine machtbesessene Familie Della Rovere-Riario hätte dem Friedenstifter Adrian von Bubenberg womöglich den Titel lieber wieder aberkannt, aber der Heilige Stuhl war seinerseits auch gebunden an dieses «Lehen» eines Ritters Christi. Dieser wiederum wollte zeitlebens seinem besonderen Vasallenstatus gerecht werden. – Auch damals galt der Spruch: «Die Welt ist klein.» Dass die Familie des Papstes eine Verfehlung Bubenbergs mit Genugtuung zur Kenntnis nahm, als ob sie nur darauf gewartet hatte, ohne jedoch öffentlich eine Exkommunikation zu konstatieren, spricht für sich. Erst nach dem Tod Bubenbergs kommt dann in der Garriliati-Affäre in Form einer Diffamierung spärlich etwas zum Vorschein über den hochangesehenen Ritter Christi, der 1469 in der Inquisition des Eremiten Klaus von Flüe durch den Konstanzer Generalvikar lediglich eine tödliche Eskalation verhindern wollte. Er sah es als Selbstverständlichkeit in seinem Ritterethos, in grösseren und kleineren Konflikten deeskalierend zu vermitteln..

  
Referenz: a) und b) Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 31–33 und 36 (lateinische Texte); – c) Rupert Amschwand, Ergänzungsband, 177–179 – Biografie über Adrian von Bubenberg: Karl F. Wälchli (em. Staatsarchivar Bern), Adrian von Bubenberg, Bern, Haupt 1979, sowie: Missiven-Buch der Stadt Bern, lit. B. fol. 430, in: Schweizerischer Geschichtsforscher, Siebenter Band, Bern 1828, 209f.

  

   a)
Hermann etc. dem in Christo hochwürdigen Vater und Herrn, Herrn Thomas von gleichen Gnaden, [Titular-] Bischof von Agathopolis, unserem Generalvikar in geistlichen Dingen, Gruss im Herrn und Empfehlung zur getreuen Ausführung des Auftrages. Bereits in vergangenen Tagen kam uns zu Ohren, dass sich in Unterwalden und beinahe im ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft ein aussergewöhnliches Gerücht ausbreitet – durch welche Ereignisse und Verursachungen auch immer entstanden –, jedenfalls bestätigen viele Zeugnisse, es sei dort ein gewisser Laie, Nikolaus von Flüe genannt, ein Mann mit lobenswertem Lebenswandel vor dem allmächtigen Gott. Er erreichte durch seine tugendreichen Werke in grossem Masse, dass dieser glorreiche Gott, für den alles offen daliegt und für den alles möglich ist, diesen Nikolaus schon mehr als ein Jahr, Monate und Tage, ohne menschliche Nahrung und irdische Speise, allein durch himmlische Stärkung in einer waldigen Gegend oder Schlucht am Leben erhalten hat und immer noch erhält. Diese Gerüchte nahmen zu und verbreiteten sich so stark, dass Leute beiderlei Geschlechts aus der Umgebung, sowohl Geistliche als auch Laien, daran glauben und täglich oder bei passender Gelegenheit diesen Nikolaus und seine Wohnstätte aufsuchen. Es gibt einen grossen Zulauf, weil sie glauben, er sei ein heiliger Mann und sie könnten durch ihn Verdienste erwerben, d. h. nicht kleine Gnaden. Nach Zusammenfügen und Abwägen der Tatsachen besteht der starke Verdacht, dass hinter all dem Erwähnten ehrgeizige und betrügerische Machenschaften stecken könnten. Weil also zu befürchten ist – sofern wir nicht mit raschen und geeigneten Mitteln eingreifen –, dass die einfältigen Schäflein Christi verführt werden und in abergläubische Irrtümer abgleiten könnten, wodurch Ärgernisse und Seelengefahren in nicht geringem Masse entstehen könnten, ist es unsere Pflicht, solches zu verhüten, so gut wir können, und über all dies durch genaueste Untersuchung die Wahrheit zu erfahren. Denn, wie der Apostel sagt, verwandelt sich der Engel der Finsternis nicht selten in einen Lichtengel (2 Kor 11,14) und tut Zeichen, die nicht auf der Glaubenskraft beruhen und deswegen gar nicht zu beachten sind. […] Darum geben wir Euch, als Amtsperson, auf deren Urteilskraft wir voll und ganz vertrauen, den Auftrag, zu den erwähnten Ereignissen unauffällige Nachforschungen und zugleich eifrige Befragungen anzustellen, mit Wegen und Mitteln, die Ihr für geeignet hält, kraft der von uns erteilten Vollmachten. Informiert Euch ausführlich und genau! Über alles, was Ihr durch Gerüchte und durch Zeugnisse für bewiesen oder für wahrscheinlich hält, macht uns baldmöglichst Mitteilung, damit wir um das Wohl der Gläubigen besorgt sein können. Gegeben […] zu Konstanz im Jahre etc. […] unten, dem Brief angehängt, unser bischöfliches Siegel.
  
b) [Am 27. April 1469 ist der Konstanzer Generalvikar, Weihbischof Thomas Weldner im Ranft und weiht die dortige Kapelle und den Altar. Joachim Eichhorn machte jedoch später hierüber im Jahrzeitenbuch von Sachseln folgenden Eintrag:]
  
Im Jahre 1468 wurde schliesslich jene Einsiedelei oder Kapelle, welche man heute die obere nennt, an der durch göttliche Weisung angezeigten Stelle erbaut und im darauffolgenden Jahr, das ist am 27. April 1469, durch den hochwürdigen Herrn Thomas, [Titular-]Bischof von Agathopolis, Weihbischof von Konstanz, zu Ehren der seligsten Jungfrau, der heiligen Maria Magdalena, des heiligen Kreuzes und der 10’000 Martyrer eingeweiht [Zehntausend Ritter, bzw. 9’000 Ritter, römische Soldaten unter der Führung von Achatius, die um 140 in Armenien wegen des christlichen Glaubens hingerichtet wurden – Gedenktag: 22. Juni (• Heiligenlexikon). Oftmalige Verwechslung: Es ist nicht die Thebäische Legion, Märtyrertod bei Agaunum (Saint-Maurice) – Gedenktag: 22. September (• Hist. Lexikon der Schweiz)].
  
c) [Abschrift der Weiheurkunde (Original nicht mehr auffindbar) aus dem alten Jahrzeitbuch durch Eichhorn im Sammelband, der in Neapel von P. Thomas Käppeli OP wieder gefunden wurde:]
  
Wir Frater Thomas, Professor der heiligen Theologie, von des Apostolischen Stuhles Gnaden Bischof von Agathopolis, Weihbischof des hochwürdigen Vaters in Christo, Herrn Hermann, von derselben Gnade Bischofs von Konstanz, tun allen und jedem, die diesen Brief einsehen, kund, dass wir im Jahre des Herrn 1469, am 27. Tag des Monats April, die Kapelle beim oder im Ranft mit einem Altar in der Ehre der seligen Jungfrau Maria, der heiligen Maria Magdalena, der Kreuzerhöhung und der heiligen zehntausend Märtyrer [siehe oben unter b] geweiht haben. Wir bestimmen, dass das Weihefest der genannten Kapelle für alle Zeiten jeweilen am 3. Sonntag nach Ostern, dafür die Kirche Gottes Jubilate Deo gesungen wird, gefeiert werden soll. Und allen Christgläubigen, die mit reuigem Herzen die genannte Kapelle besuchen, gewähren wir, ja erlassen wir gänzlich 40 Tage Strafe für schwere und ein Jahr für lässliche Sünden. Ebensoviel erlassen wir allen Besuchern an den einzelnen Patrozinien. Ebenso verfügen wir, dass Bruder Klaus von Flüe nach seinem Tod in seiner Pfarrkirche begraben werden soll. Zeugen: Herr Adrian von Bubenberg, Ritter und Schultheiss zu Bern, Hans Heinzli, Ammann dieses Landes, Johannes Burkhard von Lenxingen, Pfarrer der Kirche zu Sachseln, und mehrere andere etc.
  
[Der damalige Pfarrer von Sachseln, Burkhard von Lenxingen soll nie auch nur ein Wort über Bruder Klaus aufgeschrieben haben, vgl. Rupert Amschwand, Ergänzungsband, 77 und 324]
  
– [Facsimile der Abschrift (2. Seite) aus dem alten Jahrzeitenbuch (nicht mehr auffindbar) durch Johann Joachim Eichorn im Sammelband, der zum Zweck der Kanonisation nach Rom gesandt wurde, heute in Neapel, Bibliotheca Nazionale, Signatur: XIII AA. 35, fol. 5r–v (alte Pag. 3–4) – das Orginal der Weiheurkunde, am Ort und am aktuellen Datum ausgestellt durch den Generalvikar, Thomas Weldner, wovon der Text im alten Jahrbuch bereits eine Abschrift war, ist ebenfalls nicht mehr auffindbar.]

Urkunde 1
  

  
– [zu b): In der Ergänzung Eichhorns zur Historia Nicoalai von Heinrich Gundelfingen (Quelle 052) wird die Einweihung vom 27. April 1469 nochmals erwähnt – siehe untenstehendes Facsimile der Seite 27 im Bologneser Original:]
  
Abschrift 2
  

  
[Inquisition am 27. April 1469 – Ölgemälde aus dem 17-teiligen Zyklus in der Oberen Ranftkapelle aus dem 18. Jahrhundert.]
  
Abschrift 2
    
  
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