Holzschnitt 1510
    
Nikolaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Mystik und Mathematik · Analyse der Radskizze
  
   3. Relationen · Bausteine des Lebens
   
Die Sprache ist ein Abbild der Wirklichkeit, können wir von Ludwig Wittgenstein lernen. Also ist Sprache ein Modell. Nur von der Wirklichkeit? Oder eben auch von der Möglichkeit. Die geordnete Sprache besteht aus Sätzen. Genaue Zitate aus Ludwigs Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus (Original in Englisch, Cambridge 1921):
  
«Die gesamte Wirklichkeit ist die Welt.» (2.063)
  
«Das Bild stellt die Sachlage im logischen Raume, das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten vor.» (2.11)
  
«Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit.» (2.12)
  
«Den Gegenständen [Sachen im Sachverhalt] entsprechen im Bilde die Elemente des Bildes.» (2.13)
  
«Das Bild ist eine Tatsache.» (2.141)
  
«Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich Dinge so zueinander verhalten, wie die Elemente des Bildes.» (2.151)
  
«Diese Zuordnungen sind gleichsam die Fühler [eine schöne Metapher] der Bildelemente, mit denen das Bild die Wirklichkeit berührt.» (2.1515)
  
«Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit. Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit, wie wir sie uns denken.» (4.01)
  
Die Gedanken Wittgensteins deuten darauf hin, dass die Sprache die Wirklichkeit berührt und in ihr wirkt, Effekte auslöst. Das Wort «Fühler» als gelungener Einbau einer Metapher aus dem Sprachspiel der Biologie zeigt, dass die Gedankenwelt des Philosophen keine trockene Angelegenheit ist. Dass die Möglichkeit als solche nicht aussen vor bleiben muss, spricht Wittgenstein aus in:
  
«Ein a priori wahres Bild gibt es nicht.» (2.225)
  
«‹Ein Sachverhalt ist denkbar› heisst: Wir können uns ein Bild von ihm machen.» (3.001)
  
«Der Gedanke enthält die Möglichkeit der Sachlage, die er denkt. Was denkbar ist, ist auch möglich.» (3.02)
  
verfremdete Radskizzen fliessen ineinander «… sich so zu einander verhalten», weist uns auf das Vorhandensein von Relationen zwischen den Sachen hin. In der Formalen Logik erscheint jeder Satz abstrahierbar als Relation. Ganze Gebilde aus Sätzen können in dieser Notation von Relationen abgebildet werden. Vielleicht ist aber ein anderes Modell besser verstehbar, weil es eine Metapher benutzt. Die Relationen können als Vektoren dargestellt werden (siehe nächstes Unterkapitel). Der «Vektor» wird als Metapher eingeführt. Relationen werden aus der Sprache entnommen und als Vektoren gedacht. So sind fliessende Abbildungen der Wirklichkeit möglich.
  
Relationen können ein- oder mehrstellig sein. Das Schema einer zweistelligen Relation ist: Objekt A – Verb (Tätigkeitswort) – Objekt B – z. B. Der Bär fängt einen Fisch. Dreistellig ist dann etwa: Eva gibt Adam einen Apfel, usw. Alles, was wir sagen können, besteht aus Relationen. Jeder Satz ist eine Relation, gleich ob etwas wirklich oder nur möglich, also nur denkbar ist. Das passende Adjektiv zu «Relation» ist «relational». Alles Geschehen ist relational. Demnach ist auch das Geschehen in einem Menschen relational und lässt sich als eine Struktur aus Relationen begreifen und im Modell darstellen.
  
Die Relation einer Sache zu sich selbst ist eine reflexive Relation. Als Vektor umgesetzt ergibt dies einen Punkt – im Modell auch als Mittelpunkt in einem Kreis oder einer Kugel. Eine zweistellige, reflexive Relation, in der ein Gegenstand zu sich selbst steht, ist in der Logik eine Identität. Zwei verschiedene Dinge können nicht identisch sein, nur es selbst in Relation zu sich selbst kann es – nur es selbst ist in seinen Eigenschaften unverwechselbar.
  
Das im Lateinischen zugrundeliegende Wort «relatio» bedeutet «Zurücktragen» und «Hinbringen», hat also einen dynamischen Sinn. Das Wort «Relation» hat aber heute allgemeinsprachlich die Bedeutung von «Beziehung», «Verhältnis» zwischen Personen oder Objekten.
  
Relationen zwischen Menschen: Man kann einen anderen Menschen nicht haben – «bei aller Liebe» nicht – man kann nur eine Beziehung zu ihm haben. Die Tragweite dieser ethisch relevanten Tatsache wird oft vernachlässigt, vergessen, verdrängt. Erich Fromm meint dazu: «Beziehungen, die wesentlich besitzorientiert sind, sind bedrückend, belastend, voll von Eifersucht und Konflikten. Allgemeiner gesprochen: Das Verhältnis zwischen Menschen ist in der Existenzweise des Habens durch Rivalität, Antagonismus [unversöhnlicher Gegensatz, Unfriede] und Furcht gekennzeichnet.» (Haben oder Sein, Die seelische Grundlage einer neuen Gesellschaft, 1976)
            
  
Verzeichnis: Das «Rad» und sein verborgener Sinn
  
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